Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht

Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht
vom 20. September 1945

in Kraft getreten am 20. September 1945

für die Bundesrepublik Deutschland außer Wirkung gesetzt durch
Erstes Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 30. Mai 1956 (BGBl. I. S. 437),
jedoch ohne die Wirkung der Wiederauflebung der aufgehobenen Gesetze

für die DDR außer Wirkung gesetzt durch
Beschluß des Ministerrats der UdSSR über die Auflösung der Hohen Kommission der Sowjetunion in Deutschland vom 20. September 1955

Der Kontrollrat verfügt das folgende:

Art. I. 1. Folgende Gesetze politischer Natur oder Ausnahmegesetze, auf welche das Nazi-Regime beruhte, werden hierdurch ausdrücklich aufgehoben, einschließlich aller zusätzlichen Gesetze, Durchführungsbestimmungen, Verordnungen und Erlasse:
a) Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, RGBl. I/41,
b) Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, RGBl. I/175,
c) Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24. April 1934, RGBl. I/341,
d) Gesetz zum Schutze der nationalen Symbole vom 19 Mai, 1933, RGBl. I/285,
e) Gesetz gegen die Bildung von Parteien vom 14 Juli 1933, RGBl. I/479,
f) Gesetz über Volksabstimmung vom 14. Juli 1933, RGB1. 1/479,
g) Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1 Dezember 1933, RGBl. I/479,
h) Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform vom 20 Dezember, 1934, RGB1. 1/1269,
j) Reichsflaggengesetz vom 15. September, 1935, RGBl. I/1145,
k) Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, vom 15. September 1935, RGBl. I/1146,
l) Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935, RGBl. I/1146,
m) Preußisches Gesetz über die Geheime Staatspolizei vom 10 Februar 1936, G.S. 21,
n) Gesetz über die Hitler-Jugend vom 1.Dezember, 1936, RGBl. I/933,
o) Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe vom 22. April 1938, RGBl. I/404,
p) Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26 April 1938, RGBl. I/414,
q) Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 6 Juli, 1938, RGBl. I/823,
r) Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17 August 1938, RGB1. I/1044,
s) Verordnung Reisepässe von Juden vom 5. Oktober 1938, RGBl. I/1342,
t) Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938, RGBl. I/1580,
u) Polizeiverordnung über das Auftreten der Juden in der Öffentlichkeit vom 28 November 1938, RGBl. I/1676,
v) Verordnung den Nachweis deutschblütiger Abstammung vom 1. August 1940, RGBl. I/1063,
w) Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1. September 1941, RGBl. I/547,
x) Verordnung über die Beschäftigung von Juden vom 3. Oktober, 1941, RGBl. I/675,
y) Erlaß des Führers über die Rechtsstellung der NSDAP vom 12 Dezember 1942, RGBl. I/733,
z) Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung der im Reich befindlichen Ostarbeiter und -arbeiterinnen vom 19 Juni 1944, RGBl. I/147.

2. Die Aufhebung der oben erwähnten Gesetze setzt kein Gesetz in Kraft, das nach dem 30. Januar 1933 erlassen und das durch die oben erwähnten Gesetze aufgehoben worden ist.

Art. II. Keine deutsche Gesetzesverfügung, gleichgültig wie oder zu welcher Zeit erlassen, darf gerichtlich oder verwaltungsmäßig zur Anwendung gebracht werden in irgendwelchen Fällen, in denen ihre Anwendung Ungerechtigkeit oder ungleiche Behandlung verursachen würde, entweder dadurch, daß
a) irgend jemand auf Grund seiner Verbindung mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, ihren Formationen, angegliederten Verbindungen oder Organisationen begünstigt Vorteile genießen würde;
b) irgend jemand auf Grund seiner Rasse, Staatsangehörigkeit, seines Glaubens oder seiner Opposition zur Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei oder ihrer Lehren, Nachteile erleiden würde.

Art. III. Wer irgendwelche durch dieses Gesetz aufgehobenen Gesetze anwendet oder anzuwenden versucht, setzt sich strafrechtlicher Verfolgung aus.

    Ausgefertigt in Berlin, den 20 September 1945

(Die in den drei offiziellen Sprachen abgefaßten Originaltexte dieses Befehls wurden von B. L. Montgomery, Feldmarschall, L. Koeltz, Armeekorps-General, V. D. Sokolovsky, General der Armee und Dwight D. Eisenhower, General der Armee genehmigt.)

Insbesondere die Aufhebung des Ermächtigungsgesetzes von 1933 (Artikel I. 1a) beinhaltet faktisch, daß die Weimarer Reichsverfassung (als Grundlage für das Ermächtigungsgesetz) auch nach Ansicht der Alliierten weiter gültig war, aber durch die vierseitigen Verträge bis 1990 überlagert war.

Leider haben sich die Alliierten nicht dazu durchringen können, auf den Gesetzgebungsstand vom 29. Januar 1933 zurückzukehren.


Quellen: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 6
Dokumente des geteilten Deutschland Band 1 (Kröner 391)

© 2. Juli 2000 – 2. Juli 2004

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