Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz am 25.11.1941

Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz

vom 25. November 1941

aufgehoben infolge der Aufhebung des, durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 aufgehobenen Reichsbürgergesetz

Auf Grund des § 3 des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 (RGBl. I. S. 1146) wird folgendes verordnet:

§ 1. Ein Jude, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, kann nicht deutscher Staatsangehöriger sein. Der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland ist dann gegeben, wenn sich ein Jude im Ausland unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er dort nicht nur vorübergehend verweilt.

§ 2. Ein Jude verliert die deutsche Staatsangehörigkeit
a) wenn er beim Inkrafttreten dieser Verordnung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, mit dem Inkrafttreten der Verordnung,
b) wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt später im Ausland nimmt, mit der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland.

§ 3. (1) Das Vermögen des Juden, der die deutsche Staatsangehörigkeit auf Grund dieser Verordnung verliert, verfällt mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit dem Reich. Dem Reich verfällt ferner das Vermögen der Juden, die bei dem Inkrafttreten dieser Verordnung staatenlos sind und zuletzt die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben oder nehmen.

(2) Das verfallene Vermögen soll zur Förderung aller mit der Lösung der Judenfrage im Zusammenhang stehende Zwecke dienen.

§ 4. (1) Personen, deren Vermögen gemäß § 3 dem Reich verfallen ist, können von einem deutschen Staatsangehörigen nichts von Todes wegen erwerben.

(2) Schenkungen von deutschen Staatsangehörigen an Personen, deren Vermögen gemäß § 3 dem Reich verfallen ist, sind verboten. Wer dem Verbot zuwider eine Schenkung vornimmt oder verspricht wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft.

§ 5. (1) Das Deutsche Reich haftet für Schulden eines Juden, dessen Vermögen dem Reich verfällt, nur bis zur Höhe des Verkaufswerts derjenigen Sachen und Rechte dieses Juden, die in die Verfügungsgewalt des Reichs gelangt sind. Die Haftung besteht nicht für Schäden, deren Erfüllung durch das Reich dem Volksempfinden widersprechen würde.

(2) Rechte an den auf das Deutsche Reich übergegangenen Gegenstände bleiben bestehen.

(3) Im Falle der Überschuldung findet auf Antrag des Reichsministers der Finanzen oder eines Gläubigers über das auf das Deutsche Reich übergegangene Vermögen das Konkursverfahren nach der Konkursordnung statt. Der Konkursverwalter (Masse-Verwalter) ist mit Zustimmung des Oberfinanzpräsidenten Berlin zu bestellen und auf sein Verlangen abzuberufen.

§ 6.  (1) Ist ein Jude, dessen Vermögen gemäß § 3 dem Reich verfällt, auf Grund gesetzlicher Vorschrift oder auf Grund einer Vereinbarung verpflichtet, einem Dritten Unterhalt zu gewähren, so haftet das reich nicht für die Unterhaltsansprüche, die nach dem Verfall des Vermögens fällig werden. Das Reich kann jedoch den nichtjüdischen Unterhaltsberechtigten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, einen Ausgleich gewähren.

(2) Der Ausgleich kann durch einen Kapitalbetrag gewährt werden. Er darf die Höhe des Verkaufswerts des in die Verfügungsgewalt des Deutschen Reichs übergegangenen Vermögens nicht übersteigen.

(3) Der Ausgleich kann durch Überlassung von Sachen und Rechten aus dem übernommenen Vermögen gewährt werden. Für die hierfür erforderlichen Rechtshandlungen werden Gerichtsgebühren nicht erhoben.

§ 7. (1) Alle Personen, die eine zu dem verfallenen Vermögen gehörige Sache im Besitz haben oder zu der Vermögensmasse etwas schuldig sind, haben den Besitz der Sache oder das Bestehen der Schuld dem Oberfinanzpräsidenten Berlin innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des Vermögensverfalls (§ 3) anzuzeigen. Wer dieser Anzeigepflicht vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Forderungen gegen das verfallene Vermögen sind innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des Vermögensverfalls (§ 3) bei dem Oberfinanzpräsidenten Berlin anzumelden. Die Befriedigung von Forderungen, die nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden, kann ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden.

§ 8. (1) Die Feststellung, ob die Voraussetzungen für den Vermögensverfall vorliegen, trifft der Chef der Sicherheitspolizei und des SD.

(2) Die Verwaltung und Verwertung des verfallenen Vermögens liegt dem Oberfinanzpräsidenten Berlin ob.

amtlich: SD= Sicherheitsdienst des Reichsführers SS.

§ 9. (1) Soweit die Grundbücher durch den Verfall unrichtig geworden sind, sind sie auf Ersuchen des Oberfinanzpräsidenten Berlin gebührenfrei zu berichtigen.

(2) Zur Eintragung des Verfalls einer Hypothek, über die ein Brief erteilt ist, sowie zur Eintragung des Ausschlusses der Erteilung des Hypothekenbriefes bedarf es der Vorlegung des Briefes nicht. Wird der Brief vorgelegt, so hat das Grundbuchamt ihn dem Oberfinanzpräsidenten Berlin auszuhändigen, sofern er nicht nach den allgemeinen Vorschriften bei den Grundakten verbleibt.

(3) Wenn eine Hypothek, über die ein Brief erteilt ist, dem Reich verfallen ist, kann der Oberfinanzpräsident Berlin die Erteilung eines neuen Briefes an Stelle des bisherigen Briefes beantragen, wenn er erklärt, daß der bisherige Brief nicht zu erlangen ist. Das Grundbuchamt hat vor Erteilung des neuen Briefes geeignete Ermittlungen nach dem bisherigen Brief anzustellen. Mit Erteilung des neuen Briefes wird der alte Brief kraftlos. Das Kraftloswerden des alten und die Erteilung des neuen Briefes ist einmal im Deutschen Reichsanzeiger bekanntzumachen. Die Erteilung des neuen Briefes ist gebührenfrei.

(4) Das Grundbuchamt kann den Besitzer des alten Briefes zur Vorlegung anhalten.

(5) Bei Briefhypotheken, die dem Reich verfallen sind, sind die an den Brief anknüpfenden Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten nur anzuwenden, wenn ein Rechtsgeschäft im Gebiet des Großdeutschen Reichs vorgenommen wird und der Brief sich im Gebiet des Großdeutschen Reichs befindet.

(6) Das Reich kann nach billigem Ermessen eine Entschädigung gewähren, wen niemand einen Schaden dadurch erleidet, daß er nach Eintragung des Verfalls (Abs. 2) ohne grobe Fahrlässigkeit auf den noch im Verkehr befindlichen unberechtigten Brief vertraut. Ansprüche auf Grund allgemeiner Vorschriften werden hierdurch nicht berührt.

(7) Die Vorschriften der Abs. 2 bis 6 gelten entsprechend für Grund- und Rentenschulden, über die ein Brief erteilt ist.

§ 10. (1) Versorgungsansprüche von solchen Juden, die gemäß § 2 die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, erlöschen mit dem Ablauf des Monats, in dem der Verlust der Staatsangehörigkeit eintritt.

(2) Soweit in den Versorgungsgesetzen vorgesehen ist, daß Angehörigen im Falle des Todes des Versorgungsberechtigten Witwengeld, Waisengeld, Unterhaltungsbeitrag oder ähnliche Bezüge gewährt werden, kann diesen Angehörigen solange sie sich im Inland aufhalten, vom Zeitpunkt des Wegfalls der Versorgungsbezüge gemäß Abs. 1 ab ein Unterhaltsbeitrag bewilligt werden. Der Unterhaltsbeitrag kann an nichtjüdische Angehörige bis zur Höhe der entsprechenden Hinterbliebenversorgung, an jüdische Angehörige bis zur Hälfte dieser Bezüge bewilligt werden. Kinderzuschläge werden nur an nichtjüdische Versorgungsempfänger gewährt.

§ 11. Um Härten zu vermeiden, die aus dem Vermögensverfall entstehen, kann der Reichsminister der Finanzen eine von den Vorschriften der §§ 3 bis 7, § 9 abweichende Regelung treffen. Das gilt auch für Fälle, in denen das Vermögen auf Grund des § 2 des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933 (RGBl. I. S. 480) für verfallen erklärt worden ist oder in Zukunft für verfallen erklärt wird.

§ 12. Diese Verordnung gilt auch im Protektorat Böhmen und Mähren und in den eingegliederten Ostgebieten.

§ 13. Die zur Ergänzung und Durchführung erforderlichen Bestimmungen erläßt der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei und den sonst beteiligten Reichsministern.

    Berlin,  den 25. November 1941,

Der Reichsminister des Innern
Frick

Der Leiter der Parteikanzlei
M. Bormann

Der Reichsminister der Finanzen
In Vertretung
Reinhardt

Der Reichsminister der Justiz
in Vertretung
Dr. Schlegelberger

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1941 S. 722
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944

© 24. Januar 2004 – 7. Februar  2004

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