Zehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz am 04.07.1939

Zehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz

vom 4. Juli 1939

aufgehoben infolge der Aufhebung des, durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 aufgehobenen Reichsbürgergesetz

Auf Grund des § 3 des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 (RGBl. I. S. 1146) wird folgendes verordnet:

Artikel I.
Reichsvereinigung der Juden

§ 1. (1) Die Juden werden in einer Reichsvereinigung zusammengeschlossen.

(2) Die Reichsvereinigung ist ein rechtsfähiger Verein. Sie führt den Namen „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ und hat ihren Sitz in Berlin.

(3) Die Reichsvereinigungen bedient sich als örtlicher Zweigstellen der jüdischen Kulturvereinigungen.

§ 2. (1) Die Reichsvereinigung hat den Zweck, die Auswanderung der Juden zu fördern.

(2) Die Reichsvereinigung ist außerdem
1. Träger des jüdischen Schulwesens,
2. Träger der freien jüdischen Wohlfahrtspflege.

(3) Der Reichsminister des Innern kann der Reichsvereinigung weitere Aufgaben übertragen.

§ 3. (1) Der Reichsvereinigung gehören alle staatsangehörigen und staatenlosen Juden an, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Reichsgebiet haben.

(2) Im Falle einer Mischehe ist der jüdische Teil nur Mitglied,
a) wenn der Mann der jüdische teil ist und Abkömmlinge aus der Ehe nicht vorhanden sind oder
b) wenn die Abkömmlinge als Juden gelten.

(3) Juden fremder Staatsangehörigkeit und den in einer Mischehe lebenden Juden, die nicht bereits nach Abs. 2 Mitglieder sind, ist der Beitritt zur Reichsvereinigung freigestellt.

§ 4. Die Reichsvereinigung untersteht der Aufsicht des Reichsminister des Innern; ihre Satzung bedarf seiner Genehmigung.

§ 5. (1) Der Reichsminister des Innern kann jüdische Vereine, Organisationen und Stiftungen auflösen oder ihre Eingliederung in die Reichsvereinigung anordnen.

(2) Im Falle der Auflösung gelten für die Liquidation die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Der Reichsminister des Innern kann jedoch Liquidatoren bestellen und abberufen und die Art der Liquidation abweichend von den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts regeln. Nach Durchführung der Liquidation ist das Vermögen der aufgelösten jüdischen Einrichtungen auf die Reichsvereinigung zu übertragen.

(3) Im Falle der Eingliederung fällt das Vermögen der betroffenen jüdischen Einrichtungen an die Reichsvereinigung. Eine Liquidation findet in diesen Fällen nicht statt. Für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Einrichtungen haftet die Reichsvereinigung mit ihrem gesamten Vermögen.

(4) Der Reichsminister des Innern kann Satzungsbestimmungen und Beschlüsse der jüdischen Vereine, Organisationen und Stiftungen aufgeben und ändern, wenn sie über die Verwendung des Vermögens von diesen Vorschriften abweichende Bestimmungen getroffen haben. Juden, die auf Grund der nachträglich aufgehobenen Satzungsbestimmungen oder Beschlüsse etwas erlangt haben, sind der Reichsvereinigung zur Herausgabe nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.

Artikel II.
Jüdisches Schulwesen.

§ 6. (1) Die Reichsvereinigung der Juden ist verpflichtet, für die Beschulung der Juden zu sorgen.

(2) Zu diesem Zwecke hat die Reichsvereinigung die notwendige Zahl von Volksschulen zu errichten und zu unterhalten. Sie kann außerdem Mittel- und höhere Schulen sowie Berufs- und Fachschulen und sonstige Schulen oder Unterrichtskurse unterhalten, die der Auswanderung der Juden förderlich sind.

(3) Die Reichsvereinigung hat für die Ausbildung und Fortbildung der Lehrer der von ihr unterhaltenen Schulen zu sorgen.

(4) Die von der Reichsvereinigung unterhaltenen Schulen sind Privatschulen.

§ 7. Juden dürfen nur Schulen besuchen, die von der Reichsvereinigung unterhalten werden. Sie sind nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über die Schulpflicht zum Besuch dieser Schulen verpflichtet.

§ 8. (1) Die bestehenden öffentlichen und privaten jüdischen Schulen, Einrichtungen der jüdischen Lehrerbildung und sonstigen jüdischen Erziehungseinrichtungen werden aufgelöst, wenn die Reichsvereinigung sie bis zu einem vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern zu bestimmenden Termin nicht übernimmt.

(2) Vermögen von Juden, das für den Betrieb der jüdischen Schuleinrichtungen benutzt worden ist, ist der Reichsvereinigung auf Anforderung gegen angemessene Entschädigung zu überlassen. Über die Berechtigung der Anforderung solchen Vermögens für den Betrieb der jüdischen Schuleinrichtungen und über die Höhe der Entschädigung entscheidet in Zweifelsfällen die Schulaufsichtsbehörde unter Ausschluß des Rechtswegs.

§ 9. Die im Beamtenverhältnis stehenden Lehrkräfte der jüdischen Schulen treten mit dem Ablauf des 30. Juni 1939 in den Ruhestand. Sie sind verpflichtet, eine ihnen von der Reichsvereinigung der Juden angebotene Beschäftigung an einer jüdischen Schule anzunehmen. Andernfalls verlieren sie den Anspruch auf Ruhegehalt.

§ 10. Die Vorschriften des Reichs- und Landesrechts über die Beschuldung von Juden, insbesondere über die Zulassung von Juden zum Schulbesuch, über die Einrichtung und Unterhaltung öffentlicher jüdischer Schulen sowie über die Bereitstellung öffentlicher Mittel für Zwecke des jüdischen Religionsunterrichts, treten außer Kraft.

§ 11. Das jüdische Schulwesen untersteht der Aufsicht des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.

Artikel III.
Jüdische Wohlfahrtspflege.

§ 12. Die Reichsvereinigung hat als Träger der jüdischen freien Wohlfahrtspflege (§ 35a Abs. 1 Satz 1 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 1. August 1931 (RGBl. I, S. 439), in der Fassung der Verordnung über die öffentliche Fürsorge für Juden vom 19. November 1938 (RGBl. I. S. 1649) nach Maßgabe ihrer Mittel hilfsbedürftige Juden so ausreichend zu unterstützen, daß die öffentliche Fürsorge nicht einzutreten braucht. Sie hat Vorsorge zu treffen, daß für anstaltspflegebedürftige Juden ausschließlich für sie bestimmte Anstalten zur Verfügung stehen.

Artikel IV.
Schlußbestimmungen.

§ 13. Eine Entschädigung für Nachteile, die durch die Durchführung dieser Verordnung entstehen, wird nicht gewährt.

§ 14. (1) Der Reichsminister des Innern erläßt die zur Durchführung der Verordnung erforderlichen Vorschriften.

(2) Soweit das jüdische Schulwesen betroffen wird, werden die Vorschriften von dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern erlassen. Das gleiche gilt für Maßnahmen auf Grund des § 5, wenn die betroffene jüdische Einrichtung zum Geschäftsbereich des Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gehört.

§ 15. Die Inkraftsetzung dieser Verordnung für die Ostmark bleibt vorbehalten.

    Berlin, den 4. Juli 1939

Der Reichsminister des Innern
Frick

Der Stellvertreter des Führers
R Heß

Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
Rust

Der Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten
Kerrl

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1939 S. 1097
Schönfelder, Deutsche Reichsgesetze, Beck 1944

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